Ein Film: Il Divo (2008)
von Paolo Sorrentino
....erster Satz....
"Lei ha sei mesi di vita mi disse l´ufficiale medico alla visita medica di leva. Anni dopo lo cercai, volevo farli sapere che ero sopravissuto, ma era morto lui. È andata sempre cosi.
(Sie haben noch 6 Monate zu leben, sagte mir der Arzt bei der Musterung. Jahre später suchte ich ihn, ich wollte ihn wissen lassen, dass ich überlebt habe, aber er war gestorben.
Es ist immer so "gegangen".)
....die erste Schnitt-Sequenz (nach dem Intro)....
....Andreotti (dargestellt von Toni Servillo) nimmt eine Kopfschmerztablette zu sich und schaltet die Lichter in der Wohnung aus....
....Andreotti tretet auf einem Hometrainer sitzend in die Pedale und blickt dabei auf eine Urkunde an der vor ihm liegenden Wand.....
....Andreotti stehend, verlässt die Wohnung, schaltet das Licht aus....
....die Musik setzt ein; Gabriel Faure "Pavane" Op.50....
....die Rückseite eines Busses der öffentlichen Linien mit der Nummer 551....
....eine Frau (wohl Andreotti`s Frau (dargestellt von Anna Boniaiuto) welche im Bus sitzt und an der Kamera vorbeiblickt....
....der leere Bus mit nur einem Fahrgast....der Frau....
....ein Polizist, der rückwärts gehend hinter 3 Wagen steht, auf der Seite kann man die Silhouette von Andreotti (T.S.) der an einer Mauer entlang geht, erkennen
....man erblickt die 3 Wagen, die langsam, neben den gehenden Andreotti, dahinrollen; die 6 Polizisten die zu Fuß neben, vor und hinter der Wagenkolonne gehen....
....übernächstes Bild....
....man erblickt Andreotti`s Rücken, die Hände darum verschränkt, den Bürgersteig neben der Wand entlanggehen....
....man sieht Andreotti von vorne....
....Andreotti bleibt vor einem Graffiti stehen, auf welchem er und Craxi beschimpft werden.... Andreotti blickt darauf....
....die Polizisten verständigen sich wortlos mit der Mimik....keine Reaktion....
....Andreotti`s Gesicht, welches auf das Graffiti blickt und wie dieser sich mit unbewegter Mimik sich davon abwendet und weitergeht....
....Andreotti biegt um die Ecke und gelangt zu einer Kirche....
....diese Bilder von der Musik von Faure "Pavane" untermalt....
....was für eine Szene, unglaublich....auch wenn ein jeder Filmkunst-Professor (von seinem Elite-Sockel herunter) es abstreiten wird....Godard kann in den Ruhestand treten....einer der besten Szenen, welche ich jemals gesehen habe und dazu das vielleicht schönste Stück Musik, welches ich seit langem gehört habe....Gabriel Faure`s Pavane Op. 50.....
....Toni Servillo, der Giulio Andreotti spielt und mit unbewegter Miene durch das Leben, diesen Film schreitet....scheinbar völlig losgelöst von allen irdischen Verstrickungen wie Schuld, Neid, Gier, Hass....Toni Servillo, der schon in dem Film "Le consequenze dell`amore" sehr präsent und überragend spielte....nur die Szene aus jenem Film in der Bank, wo die Angestellten das Geld zählen und nicht die Gelzählmaschinen...."non bisognia mai smettere di avere fiducia nei uomini, direttore" (man soll nie aufhören den Menschen zu vertrauen, Herr Direktor)....ein überragende Darstellung in einem dichten, packenden Film, welcher nie stehenbleibt, denn dahinrast und die Geschichte Italien`s der vergangenen 25-35 Jahre erzählt und wegen dem Wahrheitsgehalt dieser Geschichte....was ist schon die Wahrheit....Plastelin mit dem man die Realität zusammenformt....eine vergessene Erinnerung....ein Dokument des Siegers und die Lüge eines Verlierers....
....irgendwie fällt mir dazu ein Zitat ein....als man John Maynard Keynes einmal vorgeworfen hatte, seine Meinung geändert zu haben, antwortete dieser: "Wenn sich die Fakten ändern, ändere ich meine Meinung"....ein Nato-Generalsekretär hat dieses Zitat in einem anderen Zusammenhang benutzt....er hatte gelogen....die Wahrheit verdreht....die Tatsachen ignoriert....was auch immer....
....die Wahrheit ist die Geschichte und die Lüge ist die Geschichte....
...natürlich ist die gesamte Geschichte tragisch....unendlich tragisch....ein machtvoller Film über die Machtlosigkeit der Menschen....
...aber ich schweife ab....
....der Film ist von den Darstellern bis zu dem Szenebild....von den Monologen bis zu den Einstellungen....von Anfang bis zum Ende ein Meisterwerk....ein Meisterwerk, welches völlig zu Recht (oder auch zu Unrecht, so recht weiß man dass ja nie) den Jurypreis beim Festival von Cannes gewonnen hatte....ein Sittenbild Italien`s und ein Blick in die Abgründe der Menschen....jenen an der Macht und von der Tragik, von der Einsamkeit, von der Leere erzählend, von all jenem was die Macht aus Menschen macht und ihnen nimmt....
....Toni Servillo`s Darstellung ist einfach unglaublich....
....ein sehr sehenswerter Film....