....übrigens....
....wenn ich ein Lokal betrete, nur in aller Ruhe mein Bier trinken möchte, niemanden störe und da sitze und eine Musikband neben mir ihre Instrumente aufbaut und einer dieser Musiker mit dem Chef der Lokalität spricht und das unsägliche "ich spiele nicht für dieses schwein" von sich gibt....und der Chef diesen nur sprachlos anblickt....
....wenn aber ein hochangesehenes Gemeindemitglied wie der 1A Kinderkrüppelmacher Declan Ganley das Lokal mit seiner Entourage aus gackernden Hühnern und grunzenden Schweinen betreten würde, dann würden sich die Musiker vor Freude beinahe überschlagen und sich dreimal so anstrengen und den Ganley als Sir, als Master of the Universe, als Gott behandeln, ....während die anwesenden Frauen in grenzenlose Schwärmerei verfallen würden, die anderen Gäste vor Ehrfurcht erstarren....
....und dann würde er mit Hunderten von Banknoten um sich werfen, Tausenden von Banknoten....10 Euro Scheinen, 50 Euro Scheinen, 100 Euro Scheinen, 500 Euro Scheinen und die Anwesenden wie eine wild gewordene Meute sich auf diese Hunderten und Tausenden von Banknoten stürzen und beginnen diese zu verspeisen....
....würden das Geld fressen und fressen, in ihren Rachen die Banknoten sich hinunterdrücken und noch mehr Papier fressen und fressen....
....ich denke mir, die Menschen sind im Allgemeinen einfach dermaßen unendlich dumm, dermaßen verblödet und vertrottelt....
....denen kann man nicht mehr helfen....
....aber....
....da es nur indirekte Kritik gibt, vielleicht poste ich einmal eine Kritik von einem Bekannten.....
....sozusagen eine Autokritik....
....die Kritik ist über das Fragment "Die Kinderkrüppelmacher"....
....gespostet am 09.05.07....
....geschrieben im Februar 2006....
....die Kritik über das Fragment ist im März 2006 geschrieben worden und da ich diese noch besitze....
....why not....
....(ich hoffe der Bekannte nimmt mir das nicht übel)....
....damit es anders anfängt
zwischen uns allen....
(Hilde Domin)
hallo A.
Zwei literarische Vergleichsgrößen fallen mir zu den Kinderkrüppelmachern ein:
Sarah Kane und Hugo v. Hoffmannsthal.
Das Eingangssetting mit den beiden jungen Menschen in Unterhosen erinnert mich
an „Gesäubert“ von Kane, auch ein Stück über tiefe Verletzungen,
Selbstverletzungen, übrigens auch über „Totspritzen“.
Über Autoritäten, die die Ihnen Unterworfen quälen, auslöschen, säubern.
Kane arbeitet im Gegensatz zu dir mit einer sehr knappen Sprache, Einzeiler folgt auf Einzeiler.
Deine Sprache fließt. Du schreibst sehr melodisch, man merkt, dass du Gedichte
schreibst. Ich finde, dass das eine der größten Stärken des Stücks ist. Die
Sprache. Allerdings ist es auch eine sehr wichtige Stärke, denn ohne Sprachmacht
braucht man nicht daran denken, ernsthaft schreiben zu wollen.
Im schnellen Dialog zwischen S1 und S2 kommt diese Melodik u. Rhytmisierung am
stärksten zum tragen. Hier blitzt auch so etwas wie Humor auf. Vielleicht würde
eine Beschleunigung der Dialoge, d.h. ein schnellerer Sprecherwechsel auch in
den beiden anderen Settings von Vorteil sein. Vor allem um die Spannung zu
erhöhen. (Ein eklatantes Defizit ist, dass du die Gesetze der Dramaturgie völlig
ignorierst).
Weiter zur Sprache, einige Überlegungen:
- in Bezug auf die Schlussnotizen, wo du u.a. eine „Gender“- gerechte Sprache
anvisierst bzw. dir Gedanken machst, wie ein Bosnier und eine Rumänin
miteinander kommunizieren können, würde ich Entwarnung geben: die ganze Stück
ist in einem metaphyisischen Zwischenreich angesiedelt.
In diesem Sinn „unrealistisch“. Also kannst du dir auch die Freiheit nehmen, deine Figuren in
einer Sprache kommunizieren zu lassen, die sie in ihrem Alltag vielleicht nicht
verwendet hätten. Mir scheint nämlich, dass die beiden Jugendlichen, die ja ihr
ganzes Leben lang herumgestoßen, ausgebeutet, verkrüppelt wurden (Schulbildung?
Eher nicht, oder?) ein hohes Maß an Selbstreflexivität besitzen. Aber vielleicht
findet eben jeder in dein Zwischenreich Geschleuderter zu einer größeren Distanz
zur eigenen Geschichte und damit 1. Die ruhe sie zu erzählen und 2. Auch die
worte, sie zu erzählen.
- Ich würde sogar weiter gehen: du könntest deinen figuren auch eine noch viel
künstlichere sprache in den Mund legen, vollkommen abgehoben von Slangs usw.
Bei S1 und S2 ist mir der Begriff „überarbeiten“ aufgefallen. Was heißt das? Man
weiß es nicht genau. Klingt irgendwie nach einer neuen Windows-Version oder
einem bürokratischen Akt in einer dicken Mappe. Das finde ich gut. Eine eigene,
alltagsfremde Sprache ist geeignet einen eigenen Kosmos zu schaffen. Den des
Theaters. Inwiefern thematisch dann „Realitäten“ unserer Welt abgehandelt
werden, scheint mir nebensächlich.
Zum „Inhalt“:
Die Paralelle zu Hoffmansthals „Jedermann“ ist offensichtlich, oder? Dort wird
ja auch ein „guter“ Bürger mit seinem Leben konfrontiert und bekommt eine zweite
Chance (die er nicht nutzen kann, wenn ich mich richtig erinnere). Bei dir räumt
Gott diese Chance nur den beiden Kindern ein, dem Rest der Menschheit wird das
Licht abgedreht (die Szene find ich übrigens auch witzig, weil so wunderbar
lakonisch, so nebenbei, obwohls eigentlich um alles geht, jedenfalls für uns
Menschen).
Der Unterschied zum Jedermann: die Kinder waren ihr Leben lang Opfer. Sie waren
Spielball Erwachsener oder des Schicksals (Mine). Sie konnten nie einen eigenen
Willen entwickeln. Also sind sie auch nicht für ihre Taten verantwortlich zu
machen.
Dass es da aber einen Stellvertreter gibt, der nach Jahrtausenden des Unrechts
und der Millionenfachen Verbrechen wegen dieser beiden Kreaturen Mitleid
empfindet; dass Gott angesichts der offensichtlichen Schweinereien auf Erden die
Hutschnur platzt und das Licht abdreht, scheint mir recht unwahrscheinlich (auch
wenn mir die Pointe wirklich gefällt). Wie gesagt: die Kinderkrüppel E und B
sind nicht die ersten und nicht die letzten, die ein schweres Los gezogen haben
auf Erden.
Damit zur „Moral“:
- ok, die welt ist schlecht, aber ist sie NUR schlecht?
- Bei dir muss es einem fast so vorkommen. Das ist aber 1. Schlicht nicht wahr
(dass die welt NUR schlecht ist) und 2. Auch nicht sehr unterhaltsam. Ich
verstehe, dass das Stück eine einzige, bittere, sarkastische und zynische
Anklageschrift gegen das Böse oder vielmehr die Bösen auf der Welt ist. Das
allein ist aber nicht abendfüllend. Vielleicht ist das die unwichtigste Kritik
an den „Kinderkrüppelmachern“, aber ich will sie aussprechen: kein
Theaterzuschauer will sich über 1, 2 stunden mit dem unheil der welt
konfrontieren, ohne bemerkenswerte zwischen- und grautöne, ohne viel humor, kurz
große unterhaltung.
- In diesem sinn find ich auch die Reden des „Lebens“ eigentlich entbehrlich.
Die Botschaft ist sowieso klar, warum sie noch einmal wiederholen lassen. Und
warum vom „Leben“? Das „Leben“ an sich als Bios, als organisches Vegetieren, ist
vollkommen frei von Moral. Warum nimmt es hier eine moralisch anklagende
Position ein?
- Bezüglich Moral usw. ist mir bei den Dialogen zwischen M. u Z . etwas
aufgefallen: zuerst scheint es noch so, als ob die beiden sich selbst als
ehrenwerte Bürger darstellen wollten. Zitat: „Vielleicht liegt es an unserem
Leben ... unseren reinen Seelen und dem guten Gewissen...“ Später aber nennen
beide ihre Schandtaten ohne umschweife und in vollkommenem Bewusstsein über die
moralischen Implikationen beim Namen. Beide sind reine Zyniker und scheuen sich
auch nicht, das nach außen zu tragen. Zum beispiel redet z. von „fickfleisch“
und M. setzt Moral mit Macht gleich oder redet davon, dass man in Afrika an
Kindern die Minen getestet habe.
- Nun gut, meine Frage diesbezüglich: stellen sich nicht gerade die
Großindustriellen, die Spekulanten, das Kapital usw. nach Außen immer als „gut“
dar? Betonen sie nicht stets den Nutzen ihrer Unternehmungen für das
Allgemeinwohl (wir schaffen in Deutschland Arbeitsplätze indem wir in
Deutschland Arbeitsplätze abbauen, wir kurbeln die Wirtschaft an, indem wir die
Löhne senken, wir bringen die Demokratie, indem wir Bomben abwerfen?). Wäre es
also – um der Realität besser zu entsprechen, aber auch aus dramaturgischen
Gründen – nicht von Vorteil, den „Bösen“ eine Gutmenschen-Sprache in den Mund zu
legen?
Die Dramaturgie
- Zwar lassen sich von m. und z. zwei parallele linien zu b. und e. ziehen, zwei
opferbeziehungen. M. hat sich an den minen bereichert, auf die b. getreten ist,
z. ist der zuhälter, der e. verkauft hat (oder zumindest kinder wie sie).
- Die beiden geschichten treten aber nicht wirklich in kommunikation
miteinander.
- Da alle vier, m., z., b., e., auf einer ebene im zwischenreich liegen, könnte
man sie sogar miteinander konfrontieren. (wobei zu fragen wäre, wie sich jetzt,
nach dem tod, die machtverhältnisse zwischen opfern und tätern darstellen.
Unverändert? Oder können die opfer gar rache üben? [keine ahnung, ob das eine
gute idee wäre])
- Was ist mit nicola, was ist mit den frauen von M. und den huren von Z. und der
liebe von B. Könnte man sie auch auftreten lassen, anstatt bloß über sie reden
zu lassen?
- Dramaturgie nach den klassischen Regeln (die im modernen Theater freilich
keine Rolle spielen müssen) schaut so aus: zuerst werden die figuren eingeführt,
dann wird ein konflikt präsentiert, dann stirbt vielleicht jemand, dann kommt es
zu einer finalen auseinandersetzung, dann wird der konflikt gelöst. In diesem
sinne leidet dein stück an dramaturgischer flachheit, weil die handlung
ausschließlich im reden (erzählen) aufgehoben ist. Anders gesagt: keine Action,
und das heißt: Publikum langweilt sich (falls dich das Publikum überhaupt
interessiert).
Also zusammenfassend:
- tolle sprache
- toller grundeinfall (mit gott, licht abdrehen usw., müsste man ausbauen)
- schwache dramaturgie
- zu offensichtlich moralische „Botschaft“
....lg....
....ein bekannter....